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Sebastian Böhmer

Die Bedeutung koordinativer Fähigkeiten für die ganzheitl. Entwicklung von Kindern und Jugendlichen

Oder: Lernt Hans wirklich nimmermehr, was Hänschen nicht gelernt?



















In der heutigen schnelllebigen Welt, in der Technologie und Bildschirme einen großen Teil der Freizeit von Kindern und Jugendlichen einnehmen, ist die Bedeutung von körperlicher Aktivität und sportlicher Betätigung nicht zu unterschätzen. Neben den offensichtlichen gesundheitlichen Vorteilen spielt bei jungen Menschen auch die Entwicklung von koordinativen Fähigkeiten eine entscheidende Rolle. Diese Fähigkeiten gehen über die reinen körperlichen Bewegungen hinaus und haben positive Auswirkungen auf kognitive, soziale und emotionale Bereiche. In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Bedeutung koordinativer Fähigkeiten und wie sie die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen positiv beeinflussen.


Was sind koordinative Fähigkeiten?


Koordinative Fähigkeiten sind stellen die Grundlage dafür dar, Bewegungen präzise, effizient und zielgerichtet auszuführen und beinhalten das Zusammenspiel von Sinneswahrnehmungen, Nervensystem und Muskulatur. Dabei gehen diesen bestimmte, elementare motorische Grundfertigkeiten wie z.B. das Laufen, Springen, Werfen oder Kriechen voraus. Im Laufe der individuellen Entwicklung können Bewegungen bzw. motorische Fertigkeiten durch entsprechende Koordinationsschulung zu koordinativen Fähigkeiten ausgebildet werden. Zu diesen gehören beispielsweise Gleichgewicht, Reaktionsschnelligkeit, Rhythmisierungsfähigkeit, Orientierungsfähigkeit und die Differenzierungsfähigkeit, um hier nur einige zu nennen. Dieser Pool von Fähigkeiten ist jedoch deutlich vielschichtiger. In der Literatur sind hierzu unterschiedliche Perspektiven zu finden. Relativ einig sind sich Wissenschaftler jedoch hinsichtlich ihrer Definition: „Die koordinativen Fähigkeiten werden als generelle, bewegungs- und sportartübergreifende Leistungsvoraussetzungen angesehen, die das Niveau wesentlicher Vorgänge bei der Steuerung und Regelung menschlicher Willkürbewegungen charakterisieren.“. Diese Fähigkeiten sind nicht nur im Sport wichtig, sondern beeinflussen auch alltägliche Aktivitäten wie das Schreiben, das Bedienen von Werkzeugen oder das Fahrradfahren. Für eine konkretere Vorstellung der zum Teil recht abstrakten Begriffe seien im Folgenden drei der oben genannten koordinativen Fähigkeiten exemplarisch etwas genauer beschrieben:


Differenzierungsfähigkeit:


Die Differenzierungsfähigkeit beschreibt, wie genau und ökonomisch eine Bewegung ausgeführt wird. So z.B. beim Spielen eines Musikinstruments, beim Anheben einer Flasche Wasser oder beim präzisen Passen eines Balls über unterschiedliche Entfernungen hinweg, wofür ein differenzierter Krafteinsatz nötig ist.


Orientierungsfähigkeit:


Die Orientierungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, sich selbst sowie die Lage von Mit- oder Gegenspielern, Hindernissen, Markierungen oder Sonstigem im Raum zu realisieren und sich zielgerichtet darauf einzustellen. Ein Basketballspieler muss wissen, wo er sich auf dem Feld befindet, wie er zum Korb steht, wo seine Mit- oder Gegenspieler sich befinden und wie viel Zeit noch auf der Uhr steht. Weitere bekannte Beispiele zur Orientierungsfähigkeit im Alltag sind z.B. das Fahren ohne Navigationsgeräte oder andere Prozesse der Orientierung im Raum.


Reaktionsfähigkeit:


Reaktionsfähigkeit bezieht sich auf die Schnelligkeit und Genauigkeit der Reaktion auf äußere Reize. Dies kann die Fähigkeit umfassen, auf visuelle oder auditive Signale zu reagieren, wie zum Beispiel das Stoppen eines Balls während eines Sportspiels.



Kognitive Entwicklung:


Die Entwicklung koordinativer Fähigkeiten geht Hand in Hand mit der kognitiven Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Studien haben gezeigt, dass körperliche Aktivitäten, die koordinative Fähigkeiten erfordern, die Vernetzung zwischen den Gehirnzellen fördern. Durch die Herausforderung des Nervensystems bei komplexen Bewegungen werden neue neuronale Verbindungen gebildet, was sich positiv auf die kognitive Flexibilität, das Problemlösungsverhalten und das räumliche Denken auswirken kann. Kinder, die in jungen Jahren ihre koordinativen Fähigkeiten entwickeln, zeigen oft bessere schulische Leistungen und ein verbessertes Verständnis für mathematische und naturwissenschaftliche Konzepte.


Soziale und emotionale Entwicklung:


Das Erlernen und Verbessern koordinativer Fähigkeiten erfordert oft Teamarbeit, Kommunikation und soziale Interaktion. Beim gemeinsamen Training oder Spielen lernen Kinder, sich mit anderen auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen und Konflikte zu lösen. Dies fördert soziale Kompetenzen wie Empathie, Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit. Darüber hinaus kann das Überwinden von Herausforderungen bei der Entwicklung koordinativer Fähigkeiten das Selbstvertrauen stärken und ein positives Selbstbild fördern. Kinder und Jugendliche entwickeln ein Gefühl der Selbstwirksamkeit, wenn sie Fortschritte in ihren Bewegungsfähigkeiten sehen, was sich wiederum auf andere Lebensbereiche auswirken kann.


Gesundheitsvorteile:


Neben den kognitiven, sozialen und emotionalen Vorteilen tragen koordinative Fähigkeiten auch zu einer gesunden körperlichen Entwicklung bei. Ein gutes Gleichgewichtsgefühl kann Stürze und Verletzungen reduzieren, während eine verbesserte Reaktionsschnelligkeit dazu beiträgt, Unfälle zu vermeiden. Kinder, die sich regelmäßig körperlich betätigen und ihre koordinativen Fähigkeiten trainieren, entwickeln eine leistungsfähige Muskulatur, eine bessere Körperhaltung und ein gesundes Herz-Kreislauf-System. Dadurch kann bereits im Kindesalter der Grundstein für ein gesundes Leben im Erwachsenenalter gelegt werden.


Hinsichtlich der kindlichen Entwicklung spielt die Vermittlung einer breiten Grundlagenausbildung der koordinativen Fähigkeiten demzufolge eine tragende Rolle und bildet die Basis für die motorische Intelligenz, die Begabung oder das Talent von Kindern und Jugendlichen (Roth 1998). Gerade die koordinativen Fähigkeiten können „von klein auf“ lohnend trainiert werden.


Fazit:


Die Förderung koordinativer Fähigkeiten in jungen Jahren legt den Grundstein für ein gesundes, selbstbewusstes und fähiges Erwachsenenleben. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Koordinationsschulung als „Training der Trainierbarkeit“ (Roth) bzw. der „motorischen Intelligenz“ ein wichtiger Inhalt besonders für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist. Darüber hinaus kann es in Abhängigkeit der individuellen Entwicklungsphasen von Kindern und Jugendlichen zu großen Unterschieden in der Ausprägung koordinativer Fähigkeiten kommen. Deren Erlernen ist während der gesamten Lebensphase jedoch stets ein lohnender Prozess, der mit Bewegung und oftmals auch mit Training einhergeht. So bleibt die Erkenntnis, dass Hänschen zwar schneller lernt, doch dass auch Hans bis ins hohe Alter seine koordinativen Fähigkeiten lohnend trainieren kann und sollte, um fit und gesund zu bleiben und den motorischen Herausforderungen des Alltags souverän und autonom begegnen zu können.


Autoren: Sebastian Böhmer, Stephan Menzel

Quellen:

Roth, K. (2003). Wie verbessert man koordinatve Fähigkeiten. In Bielefelder Sportpädagogen (Hrgs.) Methoden im Sportunterricht (4. Auflage) (S. 85 – 102). Schorndorf: Hofmann.

Meinel, K. / Schnabel, G.: Bewegungslehre – Sportmotorik- Sportmotorik. Abriß einer Theorie der sportlichen Motorik unter pädagogischem Aspekt. Berlin 1987.

Payr, A. (2011). Der Zusammenhang zwischen der motorischen und kognitiven Entwicklung im Kindesalter: eine Metaanalyse. (Dissertation)

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